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PKH/VKH - OLG Köln zu Schulden resultierende aus zur Reichtumsmehrung getätigten und gescheiterten Spekulationsgeschäften.

Urteile zu PKH/VKH und Beratungshilfe - Herbeiführung vorsätzlicher Vermögenslosigkeit
Aus gescheiterten Spekulationsgeschäften zur Reichtumsmehrung resultierende Schulden

  • Nicht abziehbar vom Einkommen im Rahmen der Prozesskostenhilfe sind Schulden, die nicht angemessen sind, insbesondere wenn es sich bei diesen Schulden um solche handelt, die der normalen Lebensführung nicht angemessen sind, wozu auch spekulative Vermögensgeschäfte gehören.

OLG Köln, 30.01.1985, 4 WF 18/85

ZPO § 114, ZPO § 115

Aus den Gründen:

Der Antragsteller (Ast), 40 Jahre alt, ist frei praktizierender Zahnarzt. Er verlangt Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung seines Ehescheidungsverfahrens.
Laut der von ihm vorgelegten Aufstellung hatte er für die Zeit von Januar 1994 bis September 1984 Praxiseinnahmen von 855041,91 DM. Nach Abzug der Betriebsausgaben - darunter 54771,38 DM Fahrzeugkosten - verblieb ein Ertrag vor Steuern von 297547,01 DM, was einer monatlichen Nettoeinnahme vor Steuern von 33060 DM entspricht. Er hat vorgebracht, aufgrund zahlreicher Beteiligungen an steuerbegünstigten Kapitalanlagen, die "teilweise Pleite gegangen, teilweise mit Verlusten wieder abgestoßen werden mussten", sei er erheblich überschuldet, und zwar habe er auch nach Verkauf verschiedener Vermögensobjekte immer noch Schulden von 4,3 Millionen DM. Seine Praxiseinnahmen habe er an die Deutsch Apotheker- und Ärztebank abgetreten. Er erhalte von dieser Bank monatlich nur 4500 DM für sich und die vier Kinder zum Lebensunterhalt. Er hat zur Glaubhaftmachung seiner Vermögensverhältnisse eine Aufstellung eingereicht, die über mehrere Seiten die verschiedenen Immobilien und Beteiligungen enthält sowie eine Aufstellung der Schulden, in der die verschiedenen Darlehen und Schulden ohne nähere Darlegung des Schuldgrundes betragsgemäß aufgelistet sind. Er hat dazu weiter vorgetragen, dass wegen der ungünstigen Lage auf dem Immobilienmarkt eine schuldendeckende Veräußerung der Immobilien derzeit nicht möglich sei. Er lebe von Zuwendungen seiner Verwandten.
Das Familiengericht (FamFG) hat PKH unter Hinweis auf das hohe Einkommen und Vermögen verweigert, da davon auszugehen sei, dass der Ast unter diesen Umständen trotz der Schulden die Verfahrenskosten tragen könnte.

Die zulässige Beschwerde (§ 127 Abs. 2, S. 2 ZPO) ist unbegründet.

Das FamFG hat mit Recht davon abgesehen, die genaue Höhe der Schulden und der daraus folgenden laufenden Belastungen zu ermitteln. Zum einen ist es nicht die Sache des FamFG, von sich aus Ermittlungen anzustellen, wenn das Vorbringen zu bestehenden Schulden nach Zeitpunkt und Grund der Entstehung nicht substanziirt und glaubhaft gemacht ist. Es bedurfte aber auch keines weiteren Hinweises auf diese fehlende Substanziierung und Glaubhaftmachung, da unter den gegebenen Verhältnissen die Schulden ohnehin nicht bei der Einkommensfeststellung nach § 115 ZPO berücksichtigt werden können.
Nach § 115 Abs. 1, S. 2 ZPO sind außer den Beträgen nach § 76 Abs. 2 BSHG vom Einkommen weitere Beträge abzusetzen, "soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist".
Daraus ergibt sich, dass bestehende Schulden des Ast nicht ohne Rücksicht auf Art, Entstehungsgrund und -zeitpunkt berücksichtigt werden können, sondern nur, soweit dies "angemessen" ist. Demgemäß ist allgemein anerkannt, dass Schulden, die in Ansehen oder nach Beginn des Rechtsstreits gemacht wurden, nicht berücksichtigt werden können, da es nicht mit dem Zweck der PKH vereinbar ist, dem Ast durch Gewährung der PKH andere Ausgaben zu ermöglichen (OLG Zweibrücken, Rpfleger 1981, 366; OLG Frankfurt, FamRZ 1982, 426; Zöller/ Schneider, 14. Aufl., § 115, Anm. 24); denn dies liefe darauf hinaus, dem Ast auf Kostend der Allgemeinheit Anschaffung zu finanzieren.
Darüber hinaus ist der Senat der Auffassung, dass auch vor Prozessbeginn eingegangene Schuldverpflichtungen nicht uneingeschränkt berücksichtigt werden können. Das gilt nicht nur dann, wenn der Ast sich böswillig hilfebedürftig gemacht hat (vgl. Zöller/ Schneider, § 115, Anm. 28); sondern die Berücksichtigung kann auch aus anderen Gründen "unangemessen" im Sinne des Gesetzes sein. Das ist z.B. dann der Fall, wenn der Ast bei hervorragendem laufenden Einkommen mit dem Ziel der Steuerersparnis und zur weiteren Einkommenssteigerung riskante finanzielle Engagements eingegangen ist, die schließlich zu finanziellen Verlusten geführt haben.
Es wäre im groben Maße unangemessen, die Allgemeinheit mit den Folgen eines derartigen Finanzgebahrens zu belasten. Damit ist nicht gesagt, dass bei der Bewilligung jede selbstverschuldete Hilfsbedürftigkeit unberücksichtigt bleiben könnte. Die Prüfung der Angemessenheit der Berücksichtigung besonderer Belastungen fordert aber eine wertende Beurteilung von Grund und Anlass der Verschuldung. Soweit die Ausführung vertreten wird, nur die böswillig herbeigeführte Hilfsbedürftigkeit könne die Gewähr von PKH ausschließen (vgl. Zöller/ Schneider, a.a.o., § 115, Anm. 28), erscheint diese Betrachtungsweise zu eng, falls man die Böswilligkeit nur dann annehmen will, wenn die Partei Kenntnis der Tatsache, dass sie Mittel für einen Prozess benötigt, ihr Einkommen oder Vermögen bewusst vermindert hat. Anders als die Vorschrift des § 76 BSHG ist § 25 Abs. 2, Nr. 1 BSHG (Verminderung des Vermögens oder Einkommens in der Absicht, die Gewährung oder Erhöhung der Hilfe herbeizuführen) in § 115 ZPO gerade nicht in Bezug genommen; sondern der Gesetzgeber hat für die Berücksichtigung von Schulden ein sehr viel allgemeineres Angemessenheitskriterium gewählt (anders teilweise OLG Köln [21. Zivilsenat], FamRZ 1983, 635). Das dürfte seinen Grund auch darin finden, dass die Finanzierung der Prozessführung aus Staatsmitteln ein sehr viel weniger elementares Lebensbedürfnis ist als die Finanzierung des laufenden Lebensbedarfs auf unterster Stufe.
Bei laufenden monatlichen Einkünften von über 30000 DM (vor Steuern) ist die Berücksichtigung von Schulden aus verlustreichen Spekulationsgeschäften, deren einziges ziel es war, Reichtum anzuhäufen, nicht angemessen.
Es kann daher dahinstehen, ob die nach dem eigenen Vortrag des Ast monatliche gezahlten 4500 DM nicht auch schon die Hilfsbedürftigkeit ausschließen oder ob es sich insofern, wie wohl vorgetragen werden soll, um eine Art Notstandsbeihilfe der Apotheker- und Ärztebank handelt, die ihrerseits nur als Darlehen gewährt wird.
Es kann ferner dahinstehen, ob nicht schon der äußere Lebensstil des Ast (Fahrzeugkosten von über 50000 DM von Januar bis September 1984 als Praxisausgaben) eine Gewährung von PKH ausschließt (vgl. OLG Frankfurt, Rpfleger 1982, 159 ...).
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Abgedruckt in: FamRZ 1985, 414 ff.



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