Urteile zu PKH/VKH und Beratungshilfe - Herbeiführung vorsätzlicher Vermögenslosigkeit
Angeblich gestohlene Abfindung
- Eine Partei muss in ihrem Prozesskostenhilfeantrag glaubhaft und nachvollziehbar darlegen, warum früher vorhandene erhebliche Geldbeträge ihr zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr zur Verfügung stehen.
- Diese Darlegungen müssen ein so hinreichendes Maß an Plausibilität erreichen, dass mit ihnen zum einen der Verdacht ausgeräumt werden kann, der Hilfesuchende habe die Geldmittel nicht verbraucht, sondern nur zur Seite geschafft oder damit andere verwertbare Vermögensgegenstände erworben. Zum anderen muss auch ausgeschlossen werden können, dass der Hilfesuchende, der mit Kosten durch einen bevorstehenden oder einen schon geführten Rechtsstreit rechnen konnte und deshalb seine finanziellen Dispositionen auf die Prozessführung einrichten musste, sich seines Vermögens durch Ausgaben entäußert hat, für die keine dringende Notwendigkeit bestand.
BGH, 02.04.2008, XII ZB 184/05
Aus den Gründen:
Die Parteien, die sich am 15. März 2004 getrennt hatten, streiten um Trennungs- und Kindesunterhalt. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat den Beklagten auf die seit Dezember 2004 anhängige Klage zur Zahlung von Trennungs- und Kindesunterhalt verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten, für deren Durchführung er Prozesskostenhilfe beantragt.
...
Das Arbeitsverhältnis des Beklagten, der als leitender Angestellter beschäftigt war, wurde durch eine von seinem Arbeitgeber ausgesprochene verhaltensbedingte Kündigung zum 30. Juni 2004 beendet. In einem anschließen den Kündigungsschutzverfahren schloss der Beklagte einen Vergleich, wonach sein Arbeitsverhältnis auf eine hilfsweise ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung erst zum 30. September 2004 endete und der Beklagte für den Verlust des Arbeitsplatzes mit einer Abfindung in Höhe von 230.000 € (brutto) entschädigt wurde. Nachdem der Beklagte noch mit Schriftsätzen vom 7. und 10. März 2005 vorgetragen hatte, die Abfindung sei noch nicht ausgezahlt, hat er später behauptet, den Betrag im Januar 2005 erhalten zu haben. Er habe den Nettobetrag von knapp 190.000 € von seinem Konto abgehoben und diesen zusammen mit weiterem Bargeld in Höhe von 40.000 €, welches aus dem Rückkauf einer Lebensversicherung stammte, im Schlafzimmer seiner Mietwohnung in R. ungesichert aufbewahrt. Während einer zweiwöchigen Ortsabwesenheit Anfang Februar 2005 seien noch nicht ermittelte Täter mit Hilfe eines für Notfälle zwischen Rollladen und Balkontür deponierten Schlüssels in die Wohnung eingedrungen und hätten das gesamte Bargeld entwendet.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg, weil die wirtschaftlichen Voraussetzungen für deren Gewährung nicht vorliegen.
...
Denn eine Bewilligung kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Beklagte für den Verbleib seines noch im Februar 2005 vorhandenen Geldvermögens keine plausible Erklärung abgegeben hat.
Eine Partei muss in ihrem Prozesskostenhilfeantrag glaubhaft und nachvollziehbar darlegen, warum früher vorhandene erhebliche Geldbeträge ihr zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr zur Verfügung stehen (Musielak/Fischer ZPO 5. Aufl. § 115 ZPO Rdn. 55 m.w.N.). Diese Darlegungen müssen wenigstens ein so hinreichendes Maß an Plausibilität erreichen, dass mit ihnen zum einen der Verdacht ausgeräumt werden kann, der Hilfesuchende habe die Geldmittel nicht verbraucht, sondern nur zur Seite geschafft oder damit andere verwertbare Vermögensgegenstände erworben (Musielak/Fischer aaO, Zöller/Philippi ZPO 26. Aufl. § 115 Rdn. 73). Zum anderen muss auch ausgeschlossen werden können, dass der Hilfesuchende, der mit Kosten durch einen bevorstehenden oder einen schon geführten Rechtsstreit rechnen konnte und deshalb seine finanziellen Dispositionen auf die Prozessführung einrichten musste, sich seines Vermögens durch unangemessene Ausgaben entäußert hat, für die keine dringende Notwendigkeit bestand. Denn anderenfallswäre sein Begehren nach staatlicher Prozessfinanzierung rechtsmissbräuchlich (vgl. hierzu BGH Beschluss vom 10. Januar 2006 - VI ZB 26/05 - FamRZ 2006, 548, 549; Zöller/Philippi aaO Rdn. 72; MünchKo mm/Wax ZPO 2. Aufl. § 115 Rdn. 65; Stein/Jonas/Bork ZPO 22. Aufl. § 115 Rdn. 92 m.w.N.).
Dem Vorbringen des Beklagten zur Entwendung seines Barvermögens fehlt indessen selbst das Maß an Plausibilität, das im Verfahren der Prozess-kostenhilfe gefordert werden muss.
a) Der Beklagte hat schon keinen nachvollziehbaren Grund dafür benannt, dass er sich sein gesamtes Geldvermögen (Abfindung und Rückkaufswert der Lebensversicherung) von der Bank auszahlen ließ, um es als Bargeld in seiner Wohnung zu deponieren. Ein erst beabsichtigter Immobilienerwerb stellt hierfür keinen plausiblen Grund dar. Denn dass der Beklagte - wie behauptet - angenommen haben könnte, er könne durch Barzahlung des vollständigen Kaufpreises einen Nachlass erzielen, der ihm im Falle einer Banküberweisung nicht gewährt würde, erscheint dem Senat abwegig. Ein redlicher Immobilienverkäufer wird dem Anerbieten einer Zahlung des vollständigen Kaufpreises in einer Größenordnung von mehr als 200.000 € durch Übergabe von Bargeld eher im Hinblick auf eine möglicherweise zweifelhafte Herkunft des Geldes mit Misstrauen begegnen. Selbst im Falle einer Zwangsversteigerung konnte der Meistbietende auf Bargeld - als dies rechtlich noch zulässig war (vgl. nunmehr § 69 Abs. 1 ZVG in der Fassung von Art. 11 des 2. Justizmodernisierungsgesetzes vom 22. Dezember 2006, BGBl. I, 3416) - nur in Höhe der beizubringenden Sicherheitsleistung zurückgreifen.
b) Für den Beklagten bestand auch keine Veranlassung, sich Bargeld für den Kauf einer Immobilie bereits unmittelbar nach der Überweisung der arbeitsrechtlichen Abfindung im Januar 2005 und vor Antritt seiner Urlaubsreise Anfang Februar 2005 auszahlen zu lassen. Denn er konnte für diesen Zeitpunkt weder ein ihn konkret interessierendes Objekt noch gar die Aufnahme von Vertragsverhandlungen nachweisen. Der Beklag te hat auch kein konkretes Misstrauen gegen die Finanzinstitute dargelegt, das ihn bewogen haben könnte, das Guthaben sofort und in voller Höhe abzuheben. Denn zuvor hatte er offensichtlich über einen längeren Zeitraum keine Bedenken, Vermögen durch Einzahlung von Beiträgen in eine Lebensversicherung zu bilden.
c) Schließlich ist es auch nicht nachvollziehbar, warum sich der Beklagte des außergewöhnlichen Risikos ausgesetzt haben sollte, sein gesamtes Geldvermögen in der Wohnung zu verwahren und für die Deponierung des Bargelds nicht auf naheliegende und erheblich sicherere Aufbewahrungsmöglichkeiten - wie die Anmietung eines Bankschließfachs - zurückzugreifen. Dies leuchtet umso weniger ein, als der Beklagte kurz nach der Abhebung des Bargeldes das Entwendungsrisiko dadurch weiter erhöht haben will, dass er seine Wohnung für eine längere Urlaubsreise verlassen und einen Ersatz-Wohnungsschlüssel außen am Gebäude abgelegt haben will. Angesichts eines angeblich in der Wohnung ungesichert verwahrten Geldbetragesin Höhe von etwa 230.000 € würde dies eine gänzlich unerklärbare Leichtfertigkeit darstellen.
d) Bei dieser Sachlage vermag der Senat nicht auszuschließen, dass der Beklagte entweder entgegen dem Inhalt seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht prozesskostenarm ist oder seine Bedürftigkeit durch Ausgaben herbeigeführt hat, die einem Anspruch auf staatliche Prozesskostenfinanzierung entgegenstehen. In beiden Fällen kommt eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht.
...
Quelle:
.
Bitte zögern Sie nicht! Die eigenständige Beantragung von Verfahrenskostenhilfe ist voller Fallstricke. Kennen Sie diese nich, kann Ihr gesamtes, berechtigtes, Anliegen scheitern. Besonders der geforderte Antrag hat es in sich - er ist praktisch die Klageeinreichung und damit der Schlüssel zum Erfolg Ihres Verfahrens (oder auch zum Misserfolg). Auch ist der Antrag immer dann umso bedeutender, je höher der Streitwert ist. []
Bedenken bezüglich der Finanzierung des ersten Anwaltsbesuchs zur Besprechung des Verfahrens unter Zuhilfenahme von Verfahrenskostenhilfe sollten Sie nicht haben: Diese Konsultation wird mit über die Verfahrenskostenhilfe finanziert.
Möchten Sie das Finanzielle betreffend ganz sicher gehen, empfiehlt es sich, dass Sie selbstständig Beratungshilfe für diesen ersten Anwaltsbesuch beantragen.
[ weiter ]
• Kapitel "Einkommen bei PKH, VKH und Beratungshilfe"
• Kapitel "Vermögen bei PKH, VKH und Beratungshilfe"
• Kapitel "Pkw/Auto bei PKH, VKH und Beratungshilfe"
• Kapitel "Prozess- und Verfahrenskostenvorschuss bei PKH und VKH"
• Kapitel "Rechner für PKH, VKH und Beratungshilfe"
• Kapitel "Gesetzestexte zu Einkommen und Vermögen bei PKH, VKH und Beratungshilfe"
• Kapitel "Urteile zur Einkommesberechnung PKH, VKH und Beratungshilfe"
• Kapitel "Urteile zum Vermögen bei PKH, VKH und Beratungshilfe"
• Inhaltsverzeichnis