Beiordnung eines Rechtsanwalts bei PKH/VKH
Die Beiordnung eines Rechtsanwalts bei einem über PKH/VKH betriebenen Verfahren erfolgt nach ZPO § 121, wenn:
- eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben ist (z.B. Scheidung und Scheidungsfolgesachen - hier besteht auch schon vor dem Landgericht Anwaltszwang);
- der Prozessgegner anwaltlich vertreten wird;
- eine anwaltliche Vertretung
- aufgrund der Schwere der Materie oder
- der Tragweite der nach der Verhandlung vom Gericht zu treffenden Entscheidung für den Betreffenden
- die entsprechende Gerichtsordnung eine Anwaltsvertretung vorschreibt (z.B. Bundesgerichtshof).
Die Anwaltsbeiordnung erfolgt in jeder Instanz gesondert, nicht aber schon im PKH/VKH-Antragsverfahren. Der Anwalt darf frei gewählt werden - das Gericht darf Ihnen keinen Anwalt "aufzwingen". Eingeschränkt wird dies nur durch ZPO § 121 Abs. 3, wo bestimmt ist, dass die Beiordnung nur zu den Konditionen eines im "Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts" erfolgen kann (s.auch: PKH/VKH und Kosten - PKH/VKH im Hauptverfahren - Anwaltskosten"). Jedoch müssen Sie sich selbständig um einen Anwalt kümmern - das Gericht ist keine "Anwaltsvermittlung". Nur wenn Sie, trotz Bemühungen (was Sie nachweisen müssen), keinen Anwalt finden, sorgt das Gericht für die Vermittlung eines Anwalts. Wird ein Anwalt zur Mandatsübernahme vom Gericht aufgefordert, ist es unerheblich, ob er das Mandat übernehmen möchte oder nicht - er ist dazu verpflichtet. Eine Ablehnung ist nur aus wichtigem Grund möglich.
Die Anwaltsbeiordnung erfolgt nicht automatisch, sie muss beantragt werden. Stellt ein Anwalt für Sie den PKH/VKH-Antrag, so ist dies gleichbedeutend mit der Beantragung (s)einer Anwaltsbeiordnung. Aus der Bewilligung der PKH/VKH muss eindeutig hervorgehen, ob und welcher Anwalt Ihnen beigeordnet wurde. Nur in den o.g. Fällen, in denen eine Anwaltsbeiordnung zwingend vorgeschrieben ist, kann bei Bewilligung von PKH/VKH von einer stillschweigenden Anwaltsbeiordnung ohne expliziten Vermerk im Bewilligungsbeschluss ausgegangen werden. Trotz allem müssen Sie mit dem Anwalt einen Vertrag zur Vertretung unterzeichnen und eine Vollmacht unterschreiben.
Beigeordnet werden kann nicht nur ein einzelner Anwalt, sondern auch eine Anwalts-Sozietät. Wer dann genau mit Ihnen als PKH/VKH-Partei in einer Vertragsverhältnis steht richtet sich danach, wessen Vollmacht Sie letztendlich genau unterschrieben haben (also: Vollmacht für die Sozietät oder nur für den einzelnen Anwalt der Sozietät). Gibt es keine derartige Vollmacht, dann besteht das Verhältnis mit dem einzelnen Anwalt. Haben Sie die Vollmacht der Sozietät unterzeichnet, dann ist es unerheblich, ob ein und derselbe Anwalt Sie den gesamten Prozess über vertritt oder ob ein anderer übernimmt (egal, aus welchem Grund) - ein Anwaltswechsel liegt dann nicht vor.
Grundsätzlich werden Sie wahrscheinlich, wenn Sie nicht selber überaus versiert in juristischen Angelegenheiten sind oder es sich nicht um sehr einfache Sachverhalte handelt (Beispiele s.u.), einen Rechtsanwalt beigeordnet bekommen. Anders ausgedrückt: In jedem Fall, in dem sich jemand, der sich einen Anwalt als Vertretung leisten könnte, diesen auch vernünftigerweise nehmen würde, soll einer PKH/VKH-Partei ein Anwalt beigeordnet werden. Naheliegend ist also, dass Sie aus eben diesem Grund, der Sie zum Lesen dieser Erörterungen hier gebracht hat, PKH/VKH nicht ohne Anwaltsbeiordnung erhalten werden.
Näheres finden sie dazu auch unter "VKH/PKH für spezielle Verfahren außerhalb des Familienrechts", "Familiensachen", "Scheidung", "Unterhalt", "Sorge", "Umgang", "Gewaltschutzsachen", "Vaterschaftsanfechtung und gerichtliche Vaterschaftsfeststellung", "Adoption", "Mahnverfahren" und "Insolvenz/Zwangsvollstreckung".
Verkehrsanwalt, Beweisanwalt, Unterbevolmächtigter und Terminsvertreter
Die Beiordnung eines Beweisanwalts oder eines Verkehrsanwalts unter besonderen Umständen ist möglich. Nicht möglich ist die Beiordnung eines ausländischen Anwalts. Auch die Beiordnung eines Unterbevollmächtigten ist nicht möglich.
Bei der Beiordnung eines Verkehrsanwalts sind die Hürden dafür nicht zu hoch anzusetzen. Keine Beiordnung soll erfolgen, wenn die Reise zum beigeordneten Anwalt möglich oder die schriftliche Information ausreichend ist. Ist eine schriftliche Information nicht möglich, beispielsweise, wenn Sie schreibungewandt sind, wenig Erfahrungen in rechtlichen Dingen haben oder eine anderweitige mündliche Information nicht ausreichend ist, dann ist die Beiordnung eines Verkehrsanwalts möglich. Gleichfalls ist die Verkehrsanwaltsbeiordnung möglich, wenn eine Reise zum beigeordneten Anwalt teurer käme als ein Verkehrsanwalt. Hinzuweisen ist hier auch auf diese Möglichkeit der Bewilligung einer Informationsreise zum Prozessbevollmächtigten. Ist bei einer Scheidungssache einer Partei die Einreise verwehrt, kommt ausnahmsweise die Beiordnung eines ausländischen Verkehrsanwaltes in Betracht.
Ob ein Beweisanwalt beigeordnet werden kann und wird liegt im Ermessen des Gerichts. Ein möglicher Umstand der Beiordnung wäre etwa, wenn ein prozessentscheidender Zeuge im Wege der Rechtshilfe vornommen werden soll/muss.
Lehnt das Gericht einen Antrag auf Terminsverlegung ab, so kann der Anwalt die Kosten eines Terminsvertreters als Auslagen geltend machen. Ein weiterer Anwalt, nur für diesen Termin, kann vom Gericht nicht beigeordnet werden.
Beiordnung und Anwaltswechsel
Grundsätzlich können Sie, auch bei einem mittels PKH/VKH finanzierten Verfahren, den Anwalt wechseln. Dazu muss dem Gericht der Wechsel angezeigt werden, woraufhin die Beiordnung aufgehoben wird und eine neue Beiordnung erfolgt. Folgt das Gericht nicht Ihrem Wunsch nach einem Anwaltswechsel, steht Ihnen dagegen ein Beschwerderecht zu. Beachten Sie aber, dass, je fortgeschrittener das Verfahren ist, die Anforderungen an die Begründung des Wechsels steigen. Beim Anwaltswechsel wird hier unterschieden zwischen "Anwaltswechsel ohne besonderen Grund" und "Anwaltswechsel mit wichtigem Grund".
Eine Anwaltswechsel ohne besonderen Grund ist nur dann unproblematisch, wenn der Anwalt, zu dem Sie wechseln wollen, auf den Teil der Anwaltsgebühren verzichten wird, die Ihr aktueller Anwalt bereits verdient hat (oder umgekehrt → aktueller Anwalt verzichtet zugunsten des, zu dem Sie wechseln wollen). Dieser Verzicht, egal von wem, muss schriftlich fixiert sein, ansonsten kann Ihr aktueller Anwalt seine vollen Bezahlung von der Staatskasse (über die Beiordnung zur PKH/VKH) und Ihr neuer Anwalt, für alles, was er nicht über die Staatskasse erhalten kann, direkt von Ihnen verlangen.
Ein Anwaltswechsel aus wichtigem Grund kann dann geboten sein, wenn ein tief greifendes und nachhaltig gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Anwalt zustande gekommen ist. Dies kann eine Interessenkollision sein, beispielsweise wenn Ihr Anwalt von Ihnen, trotz PKH/VKH, verlangt, dass Sie einen Honorarvertrag unterschreiben oder er Sie, noch während des laufenden Mandantenverhältnis, auf nicht in der PKH/VKH eingeschlossenes Honorar verklagt (insbesondere, wenn er die Entstehung des Anspruchs teilweise selbst zu verantworten hat). Um bei PKH/VKH-Bewilligung eine Änderung der Anwaltsbeiordnung zu erreichen muss auch der Grund des Zerwürfnisses dargelegt werden, zwar nicht bis ins letzte Detail - aber nur vage Angaben reichen nicht aus.
Insgesamt ist bei PKH/VKH-Bewilligung mit Anwaltsbeiordnung immer große Vorsicht geboten, wenn es um die Abänderung der Beiordnung geht. Sie laufen dabei immer Gefahr, Ihren neuen Anwalt selber bezahlen zu müssen - egal, ob Anwaltszwang besteht oder nicht! Insbesondere, wenn Sie das Zerwürfnis herbeigeführt haben, etwa, indem Sie gefälschte Urkunden vorgelegt und Ihr Anwalt daraufhin das Mandat niederlegt hat, haben Sie keinen Anspruch auf die neuerliche Beiordnung eines Anwalts.
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Bitte zögern Sie nicht! Die eigenständige Beantragung von Verfahrenskostenhilfe ist voller Fallstricke. Kennen Sie diese nich, kann Ihr gesamtes, berechtigtes, Anliegen scheitern. Besonders der geforderte Antrag hat es in sich - er ist praktisch die Klageeinreichung und damit der Schlüssel zum Erfolg Ihres Verfahrens (oder auch zum Misserfolg). Auch ist der Antrag immer dann umso bedeutender, je höher der Streitwert ist. []
Bedenken bezüglich der Finanzierung des ersten Anwaltsbesuchs zur Besprechung des Verfahrens unter Zuhilfenahme von Verfahrenskostenhilfe sollten Sie nicht haben: Diese Konsultation wird mit über die Verfahrenskostenhilfe finanziert.
Möchten Sie das Finanzielle betreffend ganz sicher gehen, empfiehlt es sich, dass Sie selbstständig Beratungshilfe für diesen ersten Anwaltsbesuch beantragen.
• Kapitel "Erfolgsaussichten und Mutwilligkeit"
• Kapitel "Wer zahlt was? - PKH/VKH und Kosten"
• Kapitel "Der Antrag auf PKH/VKH"
• Kapitel "Das PKH/VKH-Prüfungsverfahren"
• Kapitel "Bewilligung - die Entscheidung über PKH und VKH"
• Kapitel "Überprüfung und Revision der PKH/VKH-Bewilligung - Mitteilungspflicht"
• Kapitel "Aufhebung der Bewilligung von PKH/VKH"
• Kapitel "Abgelehnter/abgewiesener PKH/VKH-Antrag: Beschwerde und Frist"
• Kapitel "PKH/VKH und Anwaltsbeiordnung sowie Anwaltswechsel"
• Kapitel "Verfahrenskostenhilfe (VKH) - PKH im Familienrecht"
• Kapitel "PKH für Verfahren außerhalb des Familienrechts"
• Kapitel "Gesetzestexte zu Prozesskostenhilfe (PKH) und Verfahrenskostenhilfe (VKH)"
• Kapitel "Urteile zu Prozesskostenhilfe (PKH) und Verfahrenskostenhilfe (VKH)"
• Kapitel "Bescheide PKH/VKH - Beispiele"
• Inhaltsverzeichnis