Was bedeutet "andere Hilfsmöglichkeiten"?
BerHG § 1, Abs 1, Nr. 2 sieht vor, dass eine Voraussetzung für die Gewährung von Beratungskostenhilfe das Fehlen von "anderen Beratungsmöglichkeiten" ist.
Als andere Hilfsmöglichkeiten gelten unter anderem öffentlich zugängliche (kostenfreie) Rechtsberatungsmöglichkeiten (BerHG § 3 Abs. 1, Satz 3).
In Bremen und Hamburg steht Ihnen nur die öffentliche Rechtsberatung zur Verfügung. Das Beratungshilfegesetz gilt hier nicht. Jedoch steht es den Landesparlamenten zu, auch abweichende Regelungen zu treffen (BerHG § 12 Abs. 1).
In Berlin haben Sie die Wahl zwischen öffentlichen Beratungsmöglichkeiten oder der Nutzung von Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz. Jedoch steht es dem Landesparlament frei, auch abweichende Regelungen zu treffen (BerHG § 12 Abs. 2).
In alle anderen, oben nicht genannten, Bundesländern kann, wenn es die Landesparlamente beschließen, ebenfalls eine öffentliche, kostenlose Rechtsberatung eingerichtet werden (BerHG § 12 Abs. 3).
Falls eine andere Hilfsmöglichkeit neben der Möglichkeit der Beratungshilfe besteht, entscheidet immer der Einzelfall, welche Möglichkeit die bessere ist. Dabei muss immer beachtet werden, dass die Hilfsmöglichkeit kostenfrei, geeignet, erlaubt und für Sie, den Rechtsuchenden, zumutbar ist. Abgewogen werden soll daher aus dem Blickwinkel eines Nicht-Hilfsbedürftigen, was dieser "vernünftigerweise" tun würde.
Dazu einige Beispiele:
Sozialhilfeempfänger müssen sich zuerst an die zuständige Behörde als "andere Hilfsmöglichkeit" wenden, da Behörden zu Hilfeleistungen bei Anträgen und zu Rechtsauskünften verpflichtet sind (). Auch bei erstmaliger Ablehnung eines Sozialhilfeantrags ist noch die entsprechende Behörde Ansprechpartnerin, zum Beispiel wenn es darum geht, die Ablehnungsgründe zu erfahren. Erst wenn der Antrag endgültig (teilweise oder ganz) abgelehnt wurde und in Widerspruchs gegangen werden soll, besteht seitens der Behörde ein Interessenkonflikt und es ist Hilfe zu gewähren (s.a. BVerfG, 1 BvR 2310/06 vom 14.10.2008.). Da dann aber eher nur noch ein gerichtliches Vorgehen möglich ist, wird die zu gewährende Hilfe Prozesskostenhilfe sein (s. Unterschied zwischen Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe/ Verfahrenskostenhilfe).
Gewerkschaften, Berufsverbände und Interessenverbände sind als andere Hilfsmöglichkeit zu sehen, wenn diese die ersuchte Beratung im konkreten Fall kostenlos erbringen können und dürfen. Da diese Hilfe aber regelmäßig nur für Mitglieder erbringen, müssen Sie auch Mitglied sein. Nur um Beratung zu erhalten, darf niemand zum Eintritt in eine Gewerkschaft oder einen Interessenverband/Berufsverband gezwungen werden.
Das Jugendamt ist für alle Fragen des Familienrechts eine andere Hilfsmöglichkeit und wird als höherwertig als die durch Beratungshilfe zu erreichenden Möglichkeiten angesehen. Daher ist bei Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung, des Umgangsrechts und des Unterhalts sowie des Sorgerechts für Minderjährige das Jugendamt erster Ansprechpartner, genauso bei der einvernehmlichen Vaterschaftsanerkennung, nicht jedoch bei anderen Fragen der Abstammung (Vaterschaftsanfechtung und nichteinvernehmliche Vaterschaftsanerkennung).
Schuldnerberatung und Verbraucherinsolvensberatung sind andere Hilfsmöglichkeiten, vorausgesetzt, die Wartezeiten sind hinnehmbar (über 6 Monate Wartezeit auf einen Termin sind zu lange). Praktisch bedeutet das, Sie müssen sich zuerst an eine Schuldnerberatung/ Verbraucherinsolvensberatung wenden und gegebenenfalls nachweisen, warum diese Nutzung nicht zumutbar ist - ansonsten bekommen Sie hier keine Beratungshilfe.
Schlichtungsstellen sind keine anderen Hilfsmöglichkeiten. Für das Verfahren vor einer Schlichtungsstelle kann Beratungskostenhilfe gewährt werden.
Verbraucherberatung kann, wenn der Fall inhaltlich geeignet ist, eine andere Hilfsmöglichkeit sein.
Selbsthilfe ist keine andere Hilfsmöglichkeit. Sind Sie aber in der Lage, sich durch Selbsthilfe zu helfen, wird Ihr Beratungshilfeantrag trotzdem regelmäßig abgelehnt, da die negative Voraussetzung der Mutwilligkeit vorliegt.
Rechtsschutzversicherungen stellen keine andere Hilfsmöglichkeit dar. Jedoch haben Sie nachzuweisen, dass Sie bei der Versicherung nachgefragt haben und diese Ablehnung schriftlich vorzuweisen. Ihnen kann aber nicht auferlegt werden, gegen die Ablehnung der Kostenübernahme durch die Versicherung zu klagen, sollte die Beratungshilfegenehmigungsbehörde der Ansicht sein, die Ablehnung der Versicherung zur Kostenübernahme wäre nicht gerechtfertigt. Übernimmt aber die Versicherung die Kosten, bekommen Sie keine Beratungshilfe und müssen die Versicherung benutzen, da Ihnen diese Versicherung als zu verwertendes Vermögen angerechnet wird.
Informationen im Internet oder allgemeine Hinweise in Medien sind keine anderen Hilfsmöglichkeiten, da diese nicht auf ihre individuellen Probleme bezogen sind.
Mediation ist keine andere Hilfsmöglichkeit.
Asylbewerber haben sich zuerst an die Ausländerbehörde als "andere Hilfsmöglichkeit" zu wenden. Prinzipiell kann jeder Asylbewerber den Grund seines Asylantrags direkt bei der Behörde erklären. Da aber von der Formulierung des Asylgrunds der Ausgang des Asylverfahrens abhängt, kann hier (theoretisch) Beratungshilfe infrage kommen, damit eine unabhängige Beratung möglich ist. In der Praxis ist es aber eher so, dass Asylbewerbern nie Beratungshilfe gewährt und immer auf die Ausländerbehörde als "andere Hilfsmöglichkeit" verwiesen wird (s.a. BVerfG, 1 BvR 2310/06 vom 14.10.2008). Erst wenn der Antrag endgültig abgelehnt wird und nur noch geklagt werden kann, kommt Unterstützung infrage - diese Unterstützung ist dann aber Prozesskostenhilfe, nicht Beratungshilfe (s. Unterschied zwischen Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe/ Verfahrenskostenhilfe).
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Bitte zögern Sie nicht! Hilfe - besonders wenn Sie frühzeitig in Anspruch genommen wird - kann schnell und unkompliziert Probleme erkennen, Lösungswege erarbeiten und damit Streit vermeiden. Gerade bei Fragen des Familienrechts ist es sehr schwer, selber vollkommen ruhig zu bleiben um kühl und überlegt zu handeln. Eher ist die Problematik hoch emotional, was es umso schwerer macht, selbständig gute und somit langfristig tragfähige Konzepte zu entwickeln - selbst wenn Sie selber über das nötige juristische Wissen verfügen. []