Urteile zu PKH/VKH: Anwaltsbeiordnung für Schuldner in der Zwangsvollstreckung
Leitsatz:
- Wehrt sich der Schuldner gegen einen Pfändungsmaßnahme des anwaltlich vertretenen Gläubigers und wird die Erfolgsaussicht der von dem Schuldner beabsichtigten Rechtsverfolgung bejaht, so ergibt sich schon aus der Anwendung des Grundsatzes der Waffengleichheit (§121 Abs.2 2. Fall ZPO), dass dem Schuldner entsprechend seinem Antrag auch ein Rechtsanwalt beigeordnet wird.
LG Kleve, 10.02.2011, 4 T 287/10
ZPO § 121 Abs 2 Satz 2
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Dem Schuldner wird für den mit Anwaltsschriftsatz vom 10. November 2010 gestellten Vollstreckungsschutzantrag Rechtsanwalt x, , beigeordnet.
Gründe
Die anwaltlich vertretene Gläubigerin hat den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts xxxxx vom 12. Oktober 2010 erwirkt, wonach die angeblichen Ansprüche des Schuldners bezogen auf das Konto -------- bei der vvvvvv Sparkasse, vvvv, gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen werden. Mit Anwaltsschriftsatz vom 10. November 2010 hat der Schuldner die näher bezeichnete Aufhebung der Kontenpfändung beantragt und zur Begründung ausgeführt, dass auf das vorbezeichnete Konto sein monatliches Nettoeinkommen von 972,41 € anteilig in Höhe von 477,41 € monatlich überwiesen werde. Zugleich hat der Schuldner für diesen Antrag Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten beantragt. Mit Beschluss vom 19. November 2010 hat das Amtsgericht xxxxx dem Schuldner für den Antrag vom 10. November 2010 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt, jedoch den Antrag auf Beiordnung eines Anwaltes zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit der am 2. Dezember 2010 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, §§ 11 Abs. 1 RechtspflG, 567 ff. 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO. In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg. Die Kammer hält eine Anwaltsbeiordnung für den Schuldner für erforderlich.
Nach § 121 Abs. 2 1. Fall ZPO ist im Verfahren ohne Anwaltszwang ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn die Partei dies beantragt und die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, das heißt, wenn Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Sache Anlass zu der Befürchtung geben, der Hilfsbedürftige werde nach seinen persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage sein, seine Rechte sachgerecht wahrzunehmen und die notwendigen Maßnahmen in mündlicher oder schriftlicher Form zu veranlassen. Die Notwendigkeit der Beiordnung des Rechtsanwaltes hängt danach einerseits von den persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen gerade des Antragstellers und andererseits von der Schwierigkeit der im konkreten Fall zu bewältigenden Rechtsmaterie ab. Wird der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten, ist nach § 121 Abs. 2 2. Fall ein Anwalt beizuordnen. Diese Bestimmung ist Ausdruck des auf Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz gestützten Grundsatzes der Waffengleichheit (vgl. BGH Rechtspfleger 210, 330 f., zitiert nach JURIS).
Betreibt der Gläubiger aus einem Vollstreckungstitel die Einzelzwangsvollstreckung, ist allerdings nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer in der Regel eine Anwaltsbeiordnung nicht erforderlich. Der Gläubiger muss sich in diesem Fall vielmehr auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Hilfe der Rechtsantragstelle verweisen lassen. Anders verhält es sich lediglich für den Fall, dass aus einem Unterhaltstitel die Vollstreckung in Forderungen und Rechte des Schuldners betrieben wird. In diesem Fall ist es nämlich schon wegen der Regelung in § 850 d ZPO in der Regel geboten, einen Rechtsanwalt beizuordnen (vgl. BGH FamRZ 2006, 481 f., zitiert nach JURIS).
Hiervon zu unterscheiden ist aber der Fall, dass sich der Schuldner seinerseits gegen eine bereits vom Gläubiger ausgebrachte Pfändungsmaßnahme wendet und der Gläubiger anwaltlich vertreten ist. Wird hier die Erfolgsaussicht der von dem Schuldner beabsichtigten Rechtsverfolgung bejaht (vgl. zur Notwendigkeit dieser Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe: BGH WM 2003, 2432 f., zitiert nach JURIS), so ergibt sich schon aus der Anwendung des vorgenannten Grundsatzes der Waffengleichheit (§ 121 Abs. 2 2. Fall ZPO), dass dem Schuldner entsprechend seinem Antrag auch ein Rechtsanwalt beizuordnen ist. Denn die Rechtsschutzgleichheit im Sinne von Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Das Gesetz sieht aber - wie ausgeführt - gerade für den Fall der Vertretung des Gegners durch einen Rechtsanwalt die Anwaltsbeiordnung vor (§ 121 Abs. 2 2. Fall ZPO).
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, ebenso wenig die Zulassung der Rechtsbeschwerde.
Quelle: Rechtssprechungsdatenbank des Landes Nordrhein-Westfalen
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