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PKH/VKH - Beiordnung eines auswärtigen Anwalts ohne Kosteneinschränkungen (Reisekosten)

Urteile zu PKH/VKH - Beiordnung eines nicht im Gerichtsbezirk ansässigen Anwalts ohne Kosteneinschränkung

Leitsätze

  • Hinsichtlich der nach § 121 Abs. 3 ZPO eingeschränkten Beiordnung ("zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts") eines Prozessbevollmächtigten ist auch die Partei selbst beschwerdeberechtigt.
  • Für die nach § 121 Abs. 3 ZPO anzustellende Prüfung ist eine Vergleichsberechnung erforderlich, in der die Reisekosten zu berücksichtigen sind, die bei dem auswärtigen und - im Vergleich dazu - bei einem noch im Gerichtsbezirk, aber am weitesten weg vom Gerichtsort ansässigen Anwalt entstehen können. Außerdem sind ggfs. die Kosten zu berücksichtigen, die durch die Beiordnung eines Verkehrsanwalts nach § 131 Abs. 4 ZPO anfallen und durch die Beiordnung des auswärtigen Anwalts erspart werden können. Sind die Kosten im konkreten Fall geringer, kann der auswärtige Anwalt beigeordnet werden.

OLG Rostock, 17.01.2011, 1 W 53/09

ZPO § 121 Abs 3, ZPO § 121 Abs 4, ,

Tenor

  • Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 11.05.2009 gegen den Beschluss des Landgerichts vom 07.04.2009 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 09.07.2009 wird dieser dahingehend abgeändert, dass die Prozesskostenhilfe - rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Antragstellung - im Umfang des erweiterten Antrags vom 11.05.2009 sowie ohne die Einschränkung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" gewährt wird.
  • Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

[RN 1]
Die im Bezirk des Landgerichts N. wohnhafte Klägerin macht vor dem Landgericht Neubrandenburg verschiedene Aufwendungserstattungs- und Schadensersatzansprüche aus einem Treuhandverhältnis geltend. Hierfür begehrt sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer in N. ansässigen und im dortigen Landgerichtsbezirk zugelassenen Prozessbevollmächtigten. Ihren ersten Antrag vom 09.01.2009 hat sie mit weiterem Antrag vom 11.05.2009 hinsichtlich der Zinsen nach Zinsbeginn und -höhe erweitert.

[RN 2]
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht dem ursprünglichen Antrag teilweise entsprochen und ihn im Übrigen mangels Erfolgsaussicht (§ 114 Satz 1 ZPO) zurückgewiesen. Außerdem hat es die Prozessbevollmächtigte der Klägerin "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" beigeordnet.

[RN 3]
Hiergegen richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz der Prozessbevollmächtigten "namens und in Vollmacht" der Klägerin eingelegte sofortige Beschwerde, mit der die Klägerin weiter um Prozesskostenhilfe in vollem Umfang unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten ohne Einschränkung ersucht.

[RN 4]
Das Rechtsmittel, dem das Landgericht nicht abgeholfen hat, ist erfolgreich.

II.

[RN 5]
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

[RN 6]
II. 1. Das gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte Rechtsmittel ist auch im Übrigen zulässig.

[RN 7]
II. 1. a) Die Notfrist von einem Monat (§§ 127 Abs. 2 Satz 3, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO) nach der am 14.04.2009 erfolgten Zustellung der angefochtenen Entscheidung ist eingehalten, da die Beschwerdeschrift am 13.05.2009 beim Landgericht
einging.

[RN 8]
II. 1. b) Die erforderliche Beschwer der Klägerin ist ebenfalls gegeben.

[RN 9]
II. 1. b) aa) Dass es sich um eine sofortige Beschwerde der Klägerin und nicht etwa um eine solche ihrer Prozessbevollmächtigten handelt, ergibt sich aus der Formulierung in der Beschwerdeschrift:

[RN 10]
"In dem Rechtsstreit (...) legen wir hiermit namens und in Vollmacht der Antragstellerin gegen den Beschluss (...) sofortige Beschwerde ein (...)"

[RN 11]
II. 1. b) bb) Soweit die Bewilligung von Prozesskostenhilfe teilweise mangels Erfolgsaussicht abgelehnt worden ist, liegt die Beschwer der Klägerin auf der Hand (§ 127 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz, vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 127 Rn. 13).

[RN 12]
II. 1. b) cc) Aber auch hinsichtlich der nach § 121 Abs. 3 ZPO eingeschränkten Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten ist nach Ansicht des Senats - jedenfalls auch - die Partei selbst beschwerdeberechtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 23.06.2004 - XII ZB 61/04, BGHZ 159, 376, juris Tz. 4 sowie Beschluss vom 10.10.2006 - XI ZB 1/06, NJW 2006, 3783 = FamRZ 2007, 37, juris Tz. 3; OLG Rostock - 1. Familiensenat -, Beschluss vom 24.11.2008 - 10 WF 196/08, JurBüro 2009, 97, juris Tz. 2; OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.01.2000 - 9 WF 189/99 u.a., FamRZ 2000, 1385, juris Tz. 1; OVG Hamburg, Beschluss vom 01.12.2008 - 4 So 75/08, NJW 2009, 1433, juris Tz. 2 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.01.2008 - 4 WF 125/07, FamRZ 2008, 1355, juris Tz. 8; MünchKommZPO/Motzer, 3. Aufl., § 127 Rn. 14; Musielak/Fischer, ZPO, 7. Aufl., § 127 Rn. 14; Zöller/Geimer, a.a.O., § 127 Rn. 19; a.A. z.B. OLG Stuttgart, Beschluss vom 02.03.2007 - 16 WF 40/07, FamRZ 2007, 1111, juris Tz. 2; jeweils m.w.N.).

[RN 13]
So ist bereits eine formelle Beschwer der Partei gegeben, wenn ihrem Antrag - auf unbeschränkte Beiordnung eines Rechtsanwaltes - nicht in vollem Umfang, sondern eben eingeschränkt - zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwaltes - stattgegeben wird.

[RN 14]
Darüber hinaus ist nicht ausgeschlossen, dass der beigeordnete Anwalt die Partei wegen der Kosten - insbesondere Reisekosten und Abwesenheitsgelder (VV 7003, 7005 zu § 2 Abs. 2 RVG) - in Anspruch nimmt, die wegen der eingeschränkten Beiordnung nicht von der Landeskasse (§ 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 45 Abs. 1 RVG) erstattet werden. Dem steht - für die hier relevante Frage der Zulässigkeit der Beschwerde - nicht entgegen, dass der Anwalt nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO im Falle der Beiordnung Ansprüche auf Vergütung - wozu auch Auslagen und damit Reisekosten gehören - nicht gegen die Partei geltend machen darf. So ist streitig, ob diese Forderungssperre auch für die von einer eingeschränkten PKH-Bewilligung betroffenen Reisekosten gilt (dagegen: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.01.2008 - 10 WF 33/07, FamRZ 2008, 1767, juris Tz. 4; OLG Nürnberg, Beschluss vom 06.03.2001 - 10 WF 62/01, FamRZ 2001, 1157, juris Tz. 5; OLG Brandenburg, a.a.O.; Enders, JurBüro 2003, 225, 228; a.A. OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.11.2001 - 1 WF 180/01, OLGR 2002, 28, juris Tz. 3; Zöller/Geimer, a.a.O., § 122 Rn. 11; Musielak/Fischer, a.a.O., § 122 Rn. 8, jeweils m.w.N.). Die Frage braucht hier nicht entschieden zu werden: allein die Möglichkeit der Geltendmachung dieser Reisekosten beschwert den Mandanten. Zudem sind Vereinbarungen zwischen dem Anwalt und der Partei über die Tragung der Reisekosten durch diese denkbar. Dadurch wird zwar eine Verbindlichkeit nicht begründet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 RVG), eine gleichwohl erfolgte Zahlung kann aber u.U. nicht zurück gefordert werden (§ 4 Abs. 5 Satz 2 RVG, vgl. Zöller/Geimer, a.a.O., § 121 Rn. 37). Dabei ist davon auszugehen, dass sich die Partei in vielen Fällen zur Übernahme der Reisekosten bereit erklären und diese auch - ggfs. durch einen Vorschuss - zahlen wird, weil sie sich davon Vorteile verspricht.

[RN 15]
II. 2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet, weil das Landgericht die Prozesskostenhilfe, soweit es sie bewilligt hat, zu Unrecht nach § 121 Abs. 3 ZPO beschränkt (c)) und im Übrigen zu Unrecht abgelehnt hat (a)). Die Einwendungen des Antragsgegners rechtfertigen kein anderes Ergebnis (b)).

[RN 16]
II. 2. a) Nach der im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage (Zöller/Geimer, a.a.O., § 114 Rn. 19) erscheint die beabsichtigte Klage insgesamt nicht ohne hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 Satz 1 ZPO.

[RN 17]
II. 2. a) aa) Hinsichtlich des geltend gemachten "Hauptsachebetrages" von 8.500,00 Euro hat das Landgericht zutreffend einen Aufwendungsersatzanspruch nach § 670 BGB angenommen.

[RN 18]
II. 2. a) bb) Darüber hinaus ist es nach dem bisherigen Sach- und Streitstand aber auch durchaus möglich, dass sich die beabsichtigte Klage - ggfs. nach Durchführung einer Beweisaufnahme - auch hinsichtlich der weiter begehrten Zinsen, Zwangsvollstreckungs- und Rechtsverfolgungskosten aus § 280 BGB als begründet erweist. Dies genügt hier für die Annahme der Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 Satz 1 ZPO (Zöller/Geimer, a.a.O., § 114 Rn. 19 m.w.N.).

[RN 19]
So ergibt sich aus dem Vortrag der Antragstellerin (Antragsschrift vom 09.01.2009; Beschwerdeschrift vom 11.05.2009 i.V.m. Anlage A 19), dass diese in dem Verfahren 2 O 129/07 LG Neuruppin, in dem sie selbst von Frau G. auf Rückzahlung der Kaufpreisanzahlung von 8.500,00 Euro in Anspruch genommen worden war, mit Schriftsatz vom 24.05.2007 dem Antragsgegner den Streit verkündet hatte. Dies nimmt der Antragsgegner (Schriftsatz vom 27.05.2009) auch nicht in Abrede. Damit war ihm bekannt, dass die Antragstellerin für den Fall, dass die F

[RN 20]
Die Antragstellerin hat zudem - insoweit bislang unbestritten - vorgetragen, sie habe erst im Lauf des Verfahrens 2 O 129/07 vor dem Landgericht Neuruppin erfahren, dass ihre Mutter von Frau G. den Betrag von 8.500,00 Euro entgegen genommen und dies quittiert habe. Darüber hinaus behauptet sie mit Beweisantritt unterlegt, der Antragsgegner habe dies bereits zuvor gewusst, weil er bei Unterzeichnung des Vorvertrages und bei Übergabe des Geldes jeweils anwesend gewesen sei - was der Antragsgegner bestreitet (Schriftsatz vom 27.01.2009). Danach konnte die Antragstellerin zunächst davon ausgehen, die von Frau G. gegen sie erhobene Klage sei unbegründet, weshalb sie sich dagegen - mit anwaltlicher Hilfe, § 78 ZPO - verteidigen konnte und kein sofortiges Anerkenntnis abzugeben brauchte. Im Übrigen zeigt der Umstand, dass die Antragstellerin vor dem Landgericht Neuruppin in erster Instanz obsiegte und erst durch Berufungsurteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 29.05.2008 (5 U 111/07) zur Zahlung verurteilt wurde, dass die Rückzahlungsansprüche der Frau G. nicht so offensichtlich begründet waren, dass die Antragstellerin in jenem Verfahren gehalten gewesen wäre, sofort an Frau G. zu leisten und sich erst anschließend - im Innenverhältnis des Treuhandvertrages - an den Antragsgegner zu wenden.

[RN 21]
Daraus ergibt sich außerdem, dass die Antragstellerin die Kosten der Rechtsverteidigung für erforderlich halten durfte, und zwar auch - jedenfalls aus ihrer damaligen Sicht - im Interesse des Antragsgegners, den sie - wie die Streitverkündung zeigt - im Fall einer eigenen Verurteilung in Anspruch nehmen wollte.

[RN 22]
Anlass, sich nach Eingang der Klage von Frau G. bei ihrer Mutter oder bei dem Antragsgegner bezüglich der Anzahlung zu erkundigen, hatte die Antragstellerin nicht, zumal in jenem Verfahren seitens der dortigen Prozessbevollmächtigten der Frau G., die auch die Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners in vorliegendem Verfahren ist, zunächst lediglich pauschal vorgetragen worden war, der Betrag von 8.500,00 Euro sei durch einen Boten übergeben worden (Anspruchsbegründung vom 04.04.2007, 2 O 129/07 LG Neuruppin).

[RN 23]
Nach dem Vortrag der Antragstellerin liegt schließlich auch eine Pflichtwidrigkeit des Antragsgegners vor, § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach soll er nicht nur bei der Übergabe des Geldes anwesend gewesen sein (s.o.) und dieses jedenfalls zum Teil auch selbst erhalten haben, sondern die mit ihm befreundete Frau G. durch Hinweise auf eine mögliche Verjährung ihrer Ansprüche zu deren gerichtlicher Geltendmachung gegen die Antragstellerin veranlasst haben. Sollte dieser - vom Antragsgegner bislang nicht bestrittene - Vortrag zutreffen, hätte der Antragsgegner - nach summarischer Prüfung der Rechtslage - seine Pflichten aus einem zwischen ihm und der Antragstellerin bestehenden Treuhandverhältnis verletzt: wenn er als Treugeber und "wirtschaftlicher Eigentümer" des Grundstücks dieses an Frau G. verkaufen wollte und - aufgrund eines formnichtigen "Vorvertrages" - eine Anzahlung auf den Kaufpreis von dieser entgegennahm, war er gegenüber der Treuhänderin - der Antragstellerin - verpflichtet, diese von berechtigten Rückforderungsansprüchen der Frau G. freizustellen.

[RN 24]
II. 2. a) cc) Die nach Erlass der angefochtenen Entscheidung mit Schriftsatz vom 11.05.2009 erfolgte Antragserweiterung, über die das Landgericht formal bisher nicht entschieden hat, bezieht sich lediglich auf Nebenforderungen und hat deshalb keine Auswirkungen auf die Kosten der Prozessführung (§ 4 Abs. 1, letzter Halbsatz ZPO, §§ 3, 43 Abs. 1 GKG).

[RN 25]
II. 2. b) Die Einwendungen des Antragsgegners rechtfertigen kein anderes Ergebnis.

[RN 26]
Soweit er anführt, er sei nicht passivlegitimiert, weil er den Betrag von 8.500,00 Euro nicht erhalten habe, an dem damaligen Vertrag nicht beteiligt gewesen sei und es sich insoweit allein um Rechtsgeschäfte zwischen der Antragstellerin, ihrer Mutter und Frau G. gehandelt habe, führt dies nicht zur Unbegründetheit des Antrages. Die Antragstellerin hat hierzu Beweis angeboten (Zeugnis der Frau G. und deren Lebensgefährten H.-P. H., der das Geld überbracht haben soll, Zeugnis der Mutter der Antragstellerin), der ggfs. zu erheben ist. Dabei ist für die vorliegende Entscheidung im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren auch ohne Bedeutung, ob die Beteiligten damals einen Vorvertrag über einen Grundstücksverkauf abschließen wollten oder einen Darlehensvertrag, für den das Grundstück lediglich als Sicherheit dienen sollte.

[RN 27]
Die Berufung des Antragsgegners auf eine angebliche Generalquittung, die sich die Parteien in einem vor dem Oberlandesgericht Rostock - 7 U 62/07 - am 28.09.2007 abgeschlossenen Vergleich erteilt haben, führt ebenfalls nicht zur Abweisung des vorliegenden Prozesskostenhilfeantrages mangels Erfolgsaussicht. Ausweislich Ziff. 2 des vor dem damaligen 7. Zivilsenat des OLG Rostock geschlossenen Vergleichs sollten durch diesen "alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Erwerb des streitgegenständlichen Grundstücks durch die Beklagte" (= Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens) erledigt sein. Solche Ansprüche macht die Antragstellerin hier aber nicht geltend. Ihr Antrag ist vielmehr gestützt auf behauptete Ansprüche aus einem Treuhandverhältnis, das zwischen den Parteien angeblich bestanden haben soll. Im Rahmen dieses Treuhandverhältnisses mag damals das fragliche Grundstück erworben worden sein. Die hier streitgegenständlichen Forderungen der Antragstellerin stehen jedoch in keinem Zusammenhang (mehr) mit dem damaligen Erwerb.

[RN 28]
Soweit der Antragsgegner - ohne dies allerdings näher auszuführen - "in Bezug auf den Zahlungseingang der ca. 50 % der streitigen 8.500,00 Euro" die Einrede der Verjährung erhebt, bleibt dies für das vorliegende Beschwerdeverfahren ohne Belang, weil bereits das Landgericht hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung dieses Betrages unanfechtbar (§ 127 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 ZPO) Prozesskostenhilfe bewilligt hat.

[RN 29]
II. 2. c) Die - gemäß § 121 Abs. 1 ZPO erforderliche - Beiordnung der von der Antragstellerin gewählten Rechtsanwältin hatte ohne die vom Landgericht vorgenommene Beschränkung auf die "Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes" zu erfolgen, weil im konkreten Fall die Voraussetzungen des § 121 Abs. 3 ZPO gegeben sind.

[RN 30]
II. 2. c) aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip zwar keine vollständige Gleichstellung, aber eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und weniger Bemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Danach darf weniger Bemittelten die Rechtsverfolgung und -verteidigung im Vergleich zu Bemittelten nicht unverhältnismäßig erschwert werden. Der weniger Bemittelte muss grundsätzlich ebenso wirksamen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können wie ein Begüterter. Er braucht aber nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.12.2009 - 1 BvR 1781/09, NJW 2010, 987, juris Tz. 12 sowie Beschluss vom 12.11.2007 - 1 BvR 48/05, FamRZ 2008, 131, juris Tz. 13; Zöller/Geimer, a.a.O., vor § 114 Rn. 1, jeweils m.w.N.).

[RN 31]
II. 2. c) bb) Daraus wird u.a. gefolgert, dass auch die Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt ist, einen Anspruch darauf hat, einen an ihrem Wohnort ansässigen Rechtsanwalt beigeordnet zu bekommen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.01.2008 - 8 WF 172/07, FamRZ 2008, 1011, juris Tz. 8; Musielak/Fischer, a.a.O., § 121 Rn. 18a; a.A. z.B. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.07.2006 - 7 WF 92/06, MDR 2007, 236, juris Tz. 8; Zöller/Geimer, a.a.O., § 121 Rn. 12, jeweils m.w.N.).

[RN 32]
Dabei ist jedoch grundsätzlich § 121 Abs. 3 ZPO zu beachten, wonach ein nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Dies kann u.a. dadurch erreicht werden, dass der beigeordnete Rechtsanwalt auf die Geltendmachung weiterer Kosten - also insbesondere Reisekosten und Abwesenheitsgelder - verzichtet und sich insoweit mit der Beiordnung "zu den Bedingungen eines (richtig:) im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwaltes" einverstanden erklärt. Dies ist vorliegend, wie sich aus der sofortigen Beschwerde ergibt, jedoch nicht der Fall, so dass auch keiner Entscheidung bedarf, ob in dem von dem auswärtigen Rechtsanwalt unterzeichneten Beiordnungsantrag bereits eine konkludente Verzichtserklärung zu sehen ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 10.10.2006, a.a.O., juris Tz. 7 [zum alten Recht]; OLG Rostock - 1. Familiensenat -, Beschluss vom 12.03.2009 - 10 WF 204/08 u.a., FamRZ 2009, 1235, juris Tz. 10; KG, Beschluss vom 28.06.2010 - 19 W 18/10, JurBüro 2010, 537, juris Tz 4;. Zöller/Geimer, a.a.O., § 121 Rn. 13; Musielak/Fischer, a.a.O., Rn. 18b, jeweils m.w.N.).

[RN 33]
II. 2. c) cc) Erforderlich ist in derartigen Fällen vielmehr eine Vergleichsberechnung (vgl. dazu Zöller/Geimer, a.a.O., Rn. 13b; Musielak/Fischer, a.a.O., Rn. 19, jeweils m.w.N.). In dieser sind die Reisekosten zu berücksichtigen, die bei dem auswärtigen und - im Vergleich dazu - bei einem im Gerichtsbezirk ansässigen Anwalt entstehen können, sowie die Kosten, die ggfs. - bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen - durch die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes nach § 121 Abs. 4 ZPO anfallen und bei Beiordnung des auswärtigen Anwalts erspart werden könnten. Dabei ist auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten im Rahmen des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu beachten. Sind die Kosten im konkreten Fall nach alledem geringer, kann der auswärtige Anwalt beigeordnet werden. (vgl. LAG Sachsen-Anhalt, Beschlüsse vom 13.04.2010 - 2 Ta 21/10, juris Tz. 4, 5 und vom 06.10.2010 - 2 Ta 138/10, juris Tz. 16, 17; LAG München, Beschlüsse vom 04.12.2008 - 8 Ta 473/08, juris Tz. 9 und vom 07.01.2010 - 6 Ta 1/10, NZA-RR 2010, 378, juris Tz. 26; LAG Düsseldorf, Beschlüsse vom 03.11.2009 - 3 Ta 656/09, JurBüro 2010, 263, juris Tz. 3, 5 und vom 01.07.2010 - 3 Ta 359/10, juris Tz. 3, 5-6; OLG Schleswig, Beschluss vom 31.10.2006 - 10 WF 141/06, OLGR Schleswig 2007, 32, juris Tz. 7, 10; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20.07.2007 - 2 WF 51/07, MDR 2008, 51, juris Tz. 7; alle m.w.N.).

[RN 34]
II. 2. c) cc) (1) Angesichts des eindeutigen Gesetzestextes des § 121 Abs. 3 ZPO ist - nach der Änderung der Vorschrift durch Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes zur Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft vom 26.03.2007 (BGBl. I, S. 358) mit Wirkung vom 01.06.2007 - eine Beiordnung lediglich zu den Bedingungen eines "(gerichts-)ortsansässigen" Rechtsanwaltes nicht mehr zulässig.

[RN 35]
Vielmehr kann auch ein Anwalt beigeordnet werden, der nicht am Sitz des Gerichts ansässig ist, aber noch in dessen Bezirk. Auch bei diesem können daher Reisekosten anfallen, die u.U. sogar höher sind als bei einem nicht im Bezirk ansässigen Rechtsanwalt, wenn der Sitz des ersteren nämlich weiter entfernt vom Gerichtsort liegt als der des zwar auswärtigen, aber dichter bei Gericht ansässigen Anwalts.

[RN 36]
Vergleichsmaßstab für § 121 Abs. 3 ZPO kann daher nicht allein die - formale - Frage sein, in welchem Bezirk der beizuordnende Rechtsanwalt seinen Sitz hat. Den Reisekosten des auswärtigen Anwalts sind vielmehr die möglichen Reisekosten des Anwalts gegenüber zu stellen, der zwar noch im Gerichtsbezirk, aber am weitesten weg vom Gerichtsort ansässig ist. Fallen diese höher aus, steht § 121 Abs. 3 ZPO der Beiordnung des auswärtigen Anwalts nicht entgegen (vgl. LAGe Sachsen-Anhalt, München, Düsseldorf, jeweils a.a.O.).

[RN 37]
II. 2. c) cc) (2) Darüber hinaus ist nach der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung bei der Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwaltes stets zu prüfen, ob besondere Umstände i.S.d. § 121 Abs. 4 ZPO vorliegen und die betroffene Partei deshalb Anspruch auf die Beiordnung eines zusätzlichen Verkehrsanwaltes hätte. Ist dies der Fall und werden diese Kosten durch die Beiordnung des auswärtigen Anwaltes erspart, kommt eine Beschränkung nach § 121 Abs. 3 ZPO nicht in Betracht (BGH, Beschluss vom 23.06.2004, a.a.O., juris Tz. 9 ff.; KG, Beschluss vom 28.06.2010, a.a.O., juris Tz. 5; OLG Frankfurt, Beschlüsse vom 25.03.2009 - 19 W 14/09, juris Tz. 3, und vom 08.01.2008, a.a.O., juris Tz. 11; OLG Brandenburg, Beschluss vom 29.01.2008 - 9 WF 392/07, juris Tz. 6; OLG Schleswig, Beschluss vom 18.05.2007 - 8 WF 107/07, OLGR Schleswig 2007, 576; LAG Hamburg, Beschluss vom 23.04.2010 - 4 Ta 7/10, juris Tz. 5; LAG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Karlsruhe, a.a.O.; Mathias/Bischof, RVG, 3. Aufl., § 46 Rn. 17, 18; alle m.w.N.).

[RN 38]
Bei der Prüfung, ob die Beiordnung eines weiteren Verkehrsanwaltes wegen besonderer Umstände erforderlich wäre, ist auf die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Rechtsstreits und die subjektiven und tatsächlichen Fähigkeiten der Partei abzustellen (BGH, a.a.O., juris Tz. 10; KG, a.a.O., juris Tz. 6). Außerdem sind die Grundsätze zu berücksichtigen, die der Bundesgerichtshof zur Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten im Rahmen des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO aufgestellt hat (vgl. dazu u.a. BGH, Beschlüsse vom 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, NJW 2003, 898, juris Tz. 12 ff.; vom 25.01.2007 - V ZB 85/06, MDR 2007, 802, juris Tz. 6; vom 11.12.2007 - X ZB 21/07, NJW-RR 2008, 1378, juris Tz. 7 ff.; vom 22.04.2008 - XI ZB 20/07, juris Tz. 7 ff.; Zöller/Herget, a.a.O., § 91 Rn. 13 Stichwort "Reisekosten des Anwalts"; alle m.w.N.).

[RN 39]
Danach handelt es sich etwa im Allgemeinen um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine vor einem auswärtigen Gericht klagende oder beklagte Partei einen an ihrem Wohnsitz ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt, es sei denn, bereits im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwaltes stünde zweifelsfrei fest, dass ein Mandantengespräch nicht erforderlich ist (BGH, Beschlüsse vom 16.10.2002 und vom 25.01.2007, jeweils a.a.O.). Besondere Umstände in diesem Sinne können u.a. dann vorliegen, wenn der Partei eine schriftliche Information wegen des Umfangs, der Schwierigkeit oder der Bedeutung der Sache nicht zuzumuten ist (BGH, Beschluss vom 23.06.2004, a.a.O., juris Tz. 10).

[RN 40]
Dies kann dazu führen, dass die Kosten eines auswärtigen Anwalts trotz seiner Reisekosten geringer sind als die eines im Gerichtsbezirk ansässigen, wenn etwa die Entfernung zum Gerichtsort geringer ist oder durch seine Beiordnung ein Verkehrsanwalt erspart wird. Für eine Beschränkung der Beiordnung "zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwaltes" ist dann kein Raum.

[RN 41]
II. 2. c) dd) So verhält es sich hier:

[RN 42]
Die Antragstellerin hat ihren Wohnsitz in L., ihre beigeordnete Prozessbevollmächtigte ihren Sitz in N., das hiervon lediglich knapp 20 km entfernt liegt. Zum Sitz des Landgerichts in Neubrandenburg sind es vom Wohnort der Antragstellerin ca. 130 km, von N. aus ca. 100 km. Die kürzeste Entfernung zwischen dem Landgericht Neubrandenburg und Ueckermünde, bei der sich um die am weitesten entfernte Stadt im Bezirk handeln dürfte, beträgt knapp 70 km. Die bei der beigeordneten Anwältin anfallenden Reisekosten mögen daher höher sein als bei einem noch im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalt, die Differenz ist aber nur geringfügig.

[RN 43]
Hinzu kommt, dass praktisch keine Reisekosten der Partei für eine Informationsreise zu ihrer beigeordneten Prozessbevollmächtigten entstehen. Diese würden aber anfallen, wenn ein Anwalt am Gerichtsort beigeordnet würde, da eine solche Reise hier erforderlich wäre. Der streitgegenständliche Sachverhalt ist weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht so einfach gelagert, dass lediglich eine schriftliche oder fernmündliche Kommunikation zwischen der Partei und ihrem Bevollmächtigten ausreichen würde. Dies gilt gerade auch aufgrund des Umstandes, dass hier diverse Vorverfahren - 2 O 129/07 und 2 O 263/08 LG Neuruppin, 3 O 131/06 LG Neubrandenburg, jeweils über zwei Instanzen - eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Die Kenntnis dieser Vorverfahren ist für die ordnungsgemäße Vertretung der Antragstellerin in vorliegendem Verfahren unabdingbar.

[RN 44]
Aufgrund dieser Vorverfahren, in denen die Antragstellerin ebenfalls von ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten worden war, besteht außerdem offensichtlich ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen der Partei und ihrer Anwältin. Dies zeigt sich auch daran, dass die Antragstellerin ausschließlich von ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten werden möchte.

[RN 45]
Wäre der Antragstellerin - wie es dem Regelfall des § 121 Abs. 1 und 3 ZPO entspricht - ein im Bezirk des Landgerichts Neubrandenburg ansässiger Rechtsanwalt beigeordnet worden, hätte sie daher einen Anspruch auf Beiordnung eines weiteren Verkehrsanwaltes an ihrem Wohnsitz gehabt, wobei hierfür sinnvollerweise ihre jetzige Prozessbevollmächtigte in Frage gekommen wäre. Die dadurch entstehenden Kosten - in Verbindung mit den Kosten des beigeordneten "Haupt-" Anwaltes - lägen jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit höher als die Kosten, die durch die Beiordnung ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten entstehen, selbst wenn diese Reisekosten zu - evtl. auch mehreren - Gerichtsterminen abrechnen kann.

[RN 46]
Die bei unbeschränkter Beiordnung der auswärtigen Anwältin entstehenden Kosten sind daher bei überschlägiger Berechnung nicht höher als die bei Beiordnung eines bezirksansässigen Anwalts insgesamt entstehenden Kosten, so dass die vom Landgericht vorgenommene Beschränkung keinen Bestand haben kann.

III.

[RN 47]
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (Zöller/Geimer, a.a.O., § 127 Rn. 39).

[RN 48]
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, ist nicht gegeben. Weder kommt der Sache grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

Quelle: Rechtssprechungsdatenbank des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern



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